Online-Gespräch: Beispiele für solidarische Lebensweisen

Faust blau orange

Parwaneh Mirassan stellt in unserem Online-Gespräch am 24.11.2022 einige Beispiele solidarischer Lebensweisen, Organisationsformen und Bewegungen vor.

Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi): In der solidarischen Landwirtschaft wird die die Landwirtschaft als Ganzes finanziert. Das heißt, der landwirtschaftliche Betrieb errechnet die Gesamtkosten für das nächste Jahr und diese Summe wird durch alle Konsument*innen geteilt und bezahlt. Die Konsument*innen bezahlen also nicht das einzelne Produkt, sondern den Erhalt des ganzen Betriebes. Dafür bekommen sie dann einen Anteil an allen Produkten. Es gibt unterschiedliche Modelle für eine solidarische Landwirtschaft. In jedem Fall jedoch ist diese Landwirtschaft nicht mehr gebunden an Marktzwänge und kann einen größeren Fokus auf Arbeitsbedingungen und nachhaltigen Anbau legen.

Das Mietshäuser Syndikat und die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen kämpfen für ein solidarisches Wohnen. Das Mietshäuser Syndikat kauft Häuser auf und nimmt sie so vom Immobilienmarkt. Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen möchte den Wohnungsmarkt entprivatisieren und hat 2022 mit dem Volksentscheid auf spektakuläre Weise gezeigt, dass eine „radikale Realpolitik“ möglich ist und dass eine Million Menschen in Berlin dafür gestimmt haben.

Die Black Lives Matter Bewegung sorgte für weltweite Solidarität gegen anti-Schwarzen Rassismus und schob wie durch eine Welle der Aufmerksamkeit die Auseinandersetzung mit Rassismus stark an.

Polikliniken sind medizinische Versorgungseinrichtungen, die Gesundheit nicht nur als ein Nicht-Vorhandensein von Beschwerden verstehen. Sie verfolgen einen weiteren Gesundheitsbegriff und nehmen soziale und gesellschaftliche Faktoren in ihrer Arbeit mit auf. Die Selbstermächtigung der Patient*innen soll gestärkt werden und der gleichberechtigte Zugang zu Gesundheitsversorgung steht im Zentrum.

Transformative Justice ist ein Ansatz, in dem Täter*innen in der Gesellschaft nicht abgestraft und isoliert werden. Vielmehr geht Transformative Justice davon aus, dass unsere gesellschaftlichen Strukturen und Systeme Menschen zu Täter*innen werden lassen und dass wir diese Strukturen verändern müssen. Die Menschen, die Opfer von Gewalt wurden, stehen dabei mit ihren Bedürfnissen im Zentrum. Wie können diese Menschen bekommen was sie brauchen und wie können Täter*innen wieder Teil der Gesellschaft werden? – Das sind die zentralen Fragen der Aushandlung.

Internationale Beispiele solidarischer Praktiken sind zum Beispiel:

Die Black Panther Bewegung, die in den 60er und 70er Jahren als Teil ihres Aktivismus und Kampfes Frühstück für alle Kinder, Gesundheitsversorgung oder Rechtberatungen organisierten.

Die Zapatistas sind sozialrevolutionäre indigene politische Gruppierungen im Süden Mexikos, die mit internationaler Mobilisierung für die Überwindung von Patriachat und Kapitalismus sowie die Rettung der Erde kämpfen.

Rojava, die autonome Region in Syrien, wird feministisch selbstverwaltet, das heißt die Gleichberechtigung aller Menschen unabhängig von Ethnie, Religion oder Geschlecht, Rechtsstaatlichkeit und ökologische Nachhaltigkeit stehen im Zentrum der Verwaltung.

In den Protesten im Iran sind Männer mit Frauen solidarisch; Menschen, die ein Kopftuch tragen  mit Menschen die keines tragen möchten, nicht queere Menschen mit queeren Menschen, die durch das Regime besonders betroffen und gefährdet sind.

Auf die Frage was wir auf unserem Weg hin zu einer solidarischen Lebensweise tun können, fasste Parwaneh Mirassan einige Punkte zusammen:

Auf der politischen Ebene zeigt die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, was möglich ist.

Auf der strukturellen Ebene haben die Black Lives Matter Bewegung oder auch Fridays For Future gezeigt, wie gesellschaftliche Aufmerksamkeit bis in Strukturen wirken kann.

Auf der persönlichen Ebene können wir uns in Organisationen wie in einer Solidarischen Landwirtschaft engagieren und diese unterstützen. In diesen Strukturen erproben die beteiligten Menschen Formen von Basisdemokratie, bewahren so Räume für Ausprobieren und für Kreativität, und erwerben wertvolle Kompetenzen.

Auch steht hinter einer solidarischen Praxis das Hinterfragen von eigenen Werten und Privilegien. Die Auseinandersetzung mit Intersektionalität oder auch Kritischer Männlichkeit sind dabei zentral.

Das ganze Gespräch findet Ihr auf unserem Youtube Kanal

Mehr Informationen zu Parwaneh Mirassan und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie findet Ihr unter https://konzeptwerk-neue-oekonomie.org